Zum Anschlag auf „Charlie Hebdo“

Dieser Blog ist vielleicht zu Allererst ein Fotoblog. Aber er spiegelt selbstverständlich auch meine Meinung und meine Befindlichkeit und er trifft Aussagen. Meistens weiche, interpretationsfähige Aussagen, in Fotoform, manchmal aber auch klare, textliche Aussagen, von denen ich hoffe, daß sie in ihrer Deutlichkeit unmissverständlich sind. Heute ist wieder die Zeit für letztere Kategorie gekommen, denn ich finde, daß der barbarische Anschlag – vermutlich radikal-islamistischen Ursprungs – auf die Pariser Redaktion des Satiremagazins „Charlie Hebdo“ durch absolut nichts zu rechtfertigen ist. Dennoch halte ich es für notwendig, das Geschehen mit Bedacht und differenziert zu betrachten. Meine erste, spontane Reaktion war die, mich ebenfalls kurz und prägnant an der „Je suis Charlie“-Solidaritätswelle zu beteiligen. Standpunkt klar gemacht und aus. Die Idee dahinter ist auch zunächst einmal gut. Es wird ein Schulterschluß gegen Gewalt gezeigt und Solidarität mit den Familien der Opfer. Auf der anderen Seite – wer zeigt den Schulterschluss eigentlich und wem mag er nützen? Wo steht denn, ob dieser Schulterschluss auch eine klare Aussage gegen Fanatismus und für Toleranz beinhaltet? Das, wovor wir uns nun besonders fürchten sollten, ist nicht die Angst vor weiteren Anschlägen, womöglich auch hier in Deutschland. Es ist auch nicht der „Anschlag auf die Pressefreiheit“, den viele empörte und persönlich betroffene Journalisten in den Vordergrund rücken. Das, wovor wir wirklich Angst haben müssten, sollte die Angst vor Hetze gegen Andersgläubige und Menschen mit anderem Lebensentwurf sein. Was könnte geschehen, wenn in Frankreich plötzlich die allzu populäre Marine le Pen mit Ihrer rechten Front National aus dem Schatten der gerechten Empörung tritt und behauptet: „Ich habe es Euch schon immer gesagt – die Moslems wollen uns Christen schaden. Lasst sie uns hinauswerfen, bevor sie das tun!“? Da wird dann nicht mehr differenziert, sondern pauschalisiert. Islamisten würden mit Moslems gleichgesetzt und das Resultat könnte eine sich weltweit verhärtende Front zwischen Christen, bzw. der westlichen Welt und den muslemisch geprägten Ländern sein. Die Extremisten auf beiden Seiten wären begeistert und würden lautstark krakeelen: „Wir haben es Euch doch immer gesagt, wir müssen jetzt hart sein und kompromisslos! Wir sind im Recht!“

In unserem Land ist das nicht anders – der Trend beginnt sich auch hier schon abzuzeichnen. Die „Pegida“ und die AfD posaunen schon heute Abend in die Welt hinaus, sie hätten es doch die ganze Zeit gesagt – die Islamisten seien eine Gefahr für Deutschland. Bei aller rhetorischer Verbrämung ist dabei deutlich wahrzunehmen, daß sie aber nicht die fanatischen und gewaltbereiten Islamisten meinen, sondern „den Islam“, die Moslems an sich. Ich kann nur inständig hoffen, daß es in Europa genügend klarsichtige und unabhängig denkende Menschen gibt, die dieses gefährliche Verhalten als das kommunizieren, was es ist – Polemik. Andernfalls könnten wir uns sehr schnell wieder in einem politischen Umfeld wiederfinden, in dem wieder große Massen von Menschen im Chor hohle Phrasen skandieren, in der Meinung, es müsse ja stimmen, wenn es so viel sagen… Es möge mich bitte niemand falsch verstehen. Ich versuche nicht die Lage zu überzeichnen, Panik zu machen oder etwas herbeizureden. Ich glaube jedoch, daß sich ganz Europa im Moment in einem wirklich gefährlichen politischen Spannungsfeld befindet. Und ich hoffe wirklich, daß es mehr besonnene, tolerante und geschickte Politiker gibt, als mich meine Skepsis vermuten lässt. Und im Übrigen bin ich der Meinung, daß wir in unserem kleinen, persönlichen Umfeld anfangen müssen, unsere Überzeugungen zu vertreten. Wir haben hier in unserem kleinen Städtchen zum Beispiel seit Kurzem über 100 Asylsuchende wohnen. Diese Menschen dürften zu großen Teilen Moslems sein. Ich bin der Überzeugung, daß gerade diese Menschen die Gewalttätigkeit der IS und von Fanatikern allgemein strengstens verurteilen. Sie verdienen es zunächst einmal, unabhängig von der Kultur, die sie mitbringen, ernst genommen zu werden und Toleranz und Hilfe zu erfahren. Ein sich Wehren gegen Fanatiker jeglicher Couleur ist genau dann erfolgreich, wenn die Menschen jeglichen Glaubens, jeglicher Herkunft und jeglicher Lebenskultur in einer Gesellschaft in Toleranz für einander zusammen stehen. Abgrenzung, Hass und Fanatismus hat noch nie in der menschlichen Geschichte zu etwas Anderem geführt, als wieder zu Hass und Fanatismus… und Leid.

20 Gedanken zu „Zum Anschlag auf „Charlie Hebdo“

  1. Doch, ein Danke ist hier sehr angebracht! Vielen Dank, dass Du meine Gedanken teilst.

    Leider habe ich feststellen müssen, dass in gewissen sozialen Medien unreflektierte und v.a. polemische und populistische Äußerungen bzgl. dieser Thematik sich allzuschnell und unüberlegt verbreiten. Und die Tatsache, dass man für den Hinweis darauf, doch erst einmal zu überlegen und nachzugucken, was man da weiterkommuniziert, regelrecht beleidigt wird, finde ich bedenklich.
    Umso mehr, freue ich mich also, diesen Beitrag zu lesen und mit einem großen „JA“ zu unterschreiben.

    Dein Einverständnis vorrausgesetzt, werde ich Deinen Beitrag auch abderweitig publik machen.

    Allerbeste Grüße, die Rica

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  2. Ich finde es sehr, sehr gut, mit Überlegung an etwas heranzugehen und zu differenzieren, deswegen kann ich dem Text hier bedingungslos zustimmen. – Nur einer Sache nicht, dem Wort „Asylant“. Ich will kopieren, was wiki dazu sagt:
    „Asylbewerber (in Österreich: Asylwerber; in der Schweiz: Asylsuchende), sind Personen, die bei einem Land dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, um Asyl, das heißt um Aufnahme und Schutz vor politischer oder sonstiger Verfolgung, ersuchen. Während Asylbewerber Menschen mit einem laufenden Asylanerkennungsverfahren sind, werden anerkannte Asylbewerber als Asylberechtigte oder anerkannte Flüchtlinge bezeichnet. Der Begriff Asylant wird vor allem von rechtsstehenden Organisationen verwendet und häufig als abwertend empfunden.[1][2]“
    Auch wenn das Wort „Asylbewerber“ 5 Buchstaben mehr zum Schreiben hat – so viel Zeit sollte sein. 🙂

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  3. Ja heute ist wieder einmal ein Tag, wo es auch mir angebracht erscheint, den normalen Blogalltag zu verlassen und Gedanken über das Geschehene zu formulieren. Das ist mir wichtig, und so habe ich ja auch schon den Beitrag von SalvaVenia rebloggt. Ich kann Deinen Ausführungen nur zustimmen und hoffe auf die Toleranz, obgleich ich kein gutes Gefühl habe. Und das Wichtigste für mich ist, da wo ich wirklich meinen Beitrag leisten kann, in meinem Umfeld achtsam und aufmerksam sein und klare Worte sprechen und Toleranz üben. Danke für Deinen Beitrag, lg MArlies

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  4. Dem kann ich nur zu 100% zustimmen, Stefan !

    „Lustig“, dass am Montag die besorgten Bürger in Dresden Trauerflor tragen sollen. Um damit ihre „Solidarität“ mit den Journalisten zu „demonstrieren“. Die gleichen Leute, die seit Wochen Lügenpresse grölen und mit niemandem reden. Ausgenommen solchen Qualitätsmedien, wie Junge Freiheit, Pi-News, Netzplanet, Kopp, Ulfkotte, Elsässer oder wie die Aluhüte noch alle heißen mögen. Somit zählt eine Zeitschrift, welche Mohammed Karikaturen veröffentlicht, nach deren verquerer Logik wohl nicht zu den gleichgeschalteten Mainstream-Medien.
    Ohnehin ekelhaft, was auf der Pegida Facebook Seite abgeht und dies nun für die „Bewegung“ genutzt wird. Ich kann mich dort leider nicht mehr äußern, da die Herrschaften ein sehr eingeschränktes Verständnis von Meinungsfreiheit besitzen und mich gesperrt haben.

    Faszinierend finde ich auch, wenn aufrechte deutsche Patrioten sich über religiösen Fanatismus echauffieren und dann z.B. auf Facebook posten:

    „Auge um Auge, Zahn um Zahn.“

    Von solchen Intelligenzallergikern zu erwarten, dass ihnen der Ursprung dieses Passus geläufig ist und sie damit nichts anders, als ebenfalls religiösen Fanatismus propagieren, ist eindeutig zu viel verlangt.

    Mich kotzt es einfach nur noch an.

    Ich habe mir für die nächsten Wochen, montags nichts weiter vorgenommen. Bzw. mittwochs, da man es in Köln nun wohl doch wieder probieren will. Obwohl man Montag köln und Bonn für gescheitert erklärt hat und sich auf düsseldorf „konzentrieren“ wollte. Aber scheinbar versucht man nun den Rückenwind solcher Tragödien gnadenlos auszunutzen. An diesen Tagen werde ich nun eben auf der Straße sein. So wie schon diese Woche in Köln oder vor 14 Tagen in Bonn. Mir vollkommen egal ob sie in Bonn, Köln oder Düsseldorf ihren Blödsinn veranstalten. Alles bei mir um die Ecke.
    Solange bis diese Gestalten kapieren, dass sie eben nicht das Volk sind. Egal wie laut sie schreien.
    Und schon gar nicht, solange diese Veranstaltungen von Gesindel aus dem Umfeld von NPD, Pro-NRW oder der German Defence League, sprich Damen und Herren wie Melanie Dittmer oder Sebastian Nobile organisiert werden. Vom mehrfach vorbestraften Dresdner Flüchtling, der Herrn Nobile autorisiert hat, Pegida in NRW offiziell zu vertreten , ganz zu schweigen.

    Gruß
    Stefan

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    • Oh jeh – nimm‘ das bloß nicht zu persönlich – das sind die Typen nicht wert! Klare Statements und intellektueller Widerstand – unbedingt! Vorleben, was sich die Typen nicht vorstellen können – Ja!
      Aber so viel Emotionalität – das geht Dir doch an die Nieren! Und es besteht immer die Gefahr, das man sich fanatisiert, ohne es zu bemerken… 😦
      Geh‘ nicht daran kaputt und bleib‘ ausgeglichen 😉
      Es grüsst Dich freundschaftlich Dein Namensvetter

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      • 😀 😀 😀
        Ich bin da echt aktuell zu emotional. Aber so viel Dummheit und Ignoranz ist wirklich schwer zu ertragen.
        Ich habe die letzten Wochen zu wenig die Kamera in der Hand gehabt, weil immer irgend ein anderer Mist war oder schlicht die Motivation gefehlt hat. Möglicherweise liegt es ja zum Teil auch daran .-D 😉
        Keine Angst, ich fanatisiere mich nur soweit wie nötig. 😉 Solange ich den Schwarzen Block genau so behämmert finde, wie die Pegidoten oder extreme Islamisten, ist alles im Grünen Bereich. .-D 😉

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  5. Ich bin was die Pegida-Sache angeht auch emotional angepisst. – Umso besser zu wissen, dass es Menschen gibt, die Toleranz im Geist gegenüber Andersdenkenden auszudrücken verstehen. Danke für deinen beitrag und die Kommentare hier.
    Lg und ein schönes WE
    Werner

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    • Ja, finde ich auch! Das wenigstens ist gut an diesem Pegida-Bullshit! Die Freigeister und Toleranten kommen aus ihren Löchern und machen sich bemerkbar. Es tut gut, zu wissen, daß wir nicht alleine sind mit unserer Frustration.

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  6. 100% Zustimmung, aber einen Satz von dir möchte ich besonders aufgreifen:

    „Und im Übrigen bin ich der Meinung, daß wir in unserem kleinen, persönlichen Umfeld anfangen müssen, unsere Überzeugungen zu vertreten.“

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